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Krebszellen am Wandern hindern

09.08.2023 / PROSION Therapeutics ist ein Spin-off der Uni Köln und des FMP in Berlin. Das Start-up entwickelt eine völlig neue Wirkstoffklasse für die Onkologie. Interview mit Dr. Slim Chiha, Mitgründer und CEO

Treffen der PROSION-Teams am Kölner Standort (Foto: PROSION GmbH)
Treffen der PROSION-Teams am Kölner Standort (Foto: PROSION GmbH)

Dr. Chiha, 2020 haben Sie gemeinsam mit Mutlu Yönel, Prof. Hans-Günther Schmalz und Dr. Ronald Kühne PROSION gegründet. Auf welcher Technologie baut Ihr Start-up auf?

Wir verfügen über eine gänzlich neue Plattform-Technologie zur Entwicklung von niedermolekularen Wirkstoffen, „small molecule drugs“ genannt. Konkret ermöglicht es unser Ansatz erstmals, besondere Prolin-vermittelte Proteinwechselwirkungen innerhalb von Zellen zu unterbinden. Diese Wechselwirkungen sind an vielen krankheitsrelevanten Prozessen wie Tumormetastasierung, Alzheimer oder Infektionskrankheiten beteiligt und galten bisher als nicht adressierbar. Basierend auf dieser Technologie sind wir nun in der Lage, eine gänzlich neue Klasse an Wirkstoffen für verschiedenste Therapiefelder zu entwickeln. Wir fokussieren jedoch zunächst auf die Onkologie, besser gesagt auf die Krebsmetastasierung. Zurückzuführen ist diese Forschung auf eine langjährige Kooperation zwischen den Arbeitsgruppen von Prof. Schmalz, Universität zu Köln, und Dr. Kühne, Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP).

Wie funktioniert Ihr gezielter therapeutischer Ansatz gegen die Krebsmetastasierung?

Unsere Wirkstoffe sind Prolin-basierte „Konformationsmimetika“. Sie ahmen die einzigartige Helix-Struktur von Prolin-reichen Motiven nach und entfalten ihre Wirkung in der Tumorzelle, indem sie gezielt die Wechselwirkung zwischen bestimmten Proteinen am Ende von krebsrelevanten Signalwegen blockieren. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, denn bislang war es nicht möglich, diesen Treiber der Tumorprogression zu erreichen. In der Folge können die Krebszellen nicht mehr gezielt wandern. In in-vivo-Untersuchungen konnten wir an Triple-negativem Brustkrebs und Pankreaskrebs zeigen, dass unsere Technologie das Krebsgeschehen signifikant hemmt.

Wie weit ist Ihre Entwicklung, welches sind die nächsten Meilensteine?

Nach einer erfolgreichen Proof-of-Concept-Studie haben wir unseren Wirkstoffkandidaten optimiert, um maximale Wirksamkeit bei minimaler Toxizität zu erreichen. Als nächstes wollen wir mit dem optimierten Wirkstoff zeigen, dass die definierte Dosis funktioniert. Unsere Vision ist es, 2024 einen Entwicklungskandidaten zu etablieren und ab 2025 bereit für die klinische Phase zu sein.

Ihre Plattform-Technologie bietet auch für weitere Indikationen Potenzial.

Die Helix-Nachahmung kann in vielen Bereichen genutzt werden. Der interne Fokus liegt auf der Onkologie; wir sind aber offen, frühzeitig in anderen Therapiefeldern zu kooperieren. Hierbei würden wir mit Hilfe unserer Bausteine „small molecule“ Inhibitoren entwerfen und teilweise auch die biologische Untersuchung übernehmen.

Wie finanziert sich Ihr Start-up?

Nach unserem EXIST-Stipendium haben wir 2021 vom European Innovation Council (EIC) Accelerator einen Zuschuss in Höhe von 2,5 Millionen Euro für den Einsatz unserer Plattformtechnologie und zur weiteren Förderung unseres Onkologie-Programms erhalten. Dieser Zuschuss beinhaltet die Option, in den nächsten Finanzierungsrunden bis zu 15 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank zu bekommen. Unsere Chance lag im Wettbewerb bei ca. 1,5 Prozent – wir sind sehr stolz auf diesen Erfolg. In der Folge konnten wir im Mai 2022 den renommierten Deep-Tech-Investor Freigeist Capital für eine Seed-Finanzierung gewinnen.

Wie funktioniert das Arbeiten an zwei Orten?

Wir sind schon seit einigen Jahren gewohnt, „remote“ zu arbeiten und uns per „Videocall“ auszutauschen. Aktuell profitieren wir von der Infrastruktur und den Möglichkeiten beider Standorte. Für unser Berliner Team, angeführt von Dr. Matthias Müller und Juliana Rojas Pion, steht im Herbst der langerwartete Umzug in den BerlinBioCube an. Auf die neuen Räumlichkeiten freuen wir uns sehr.

Was macht für Sie der Campus in Buch aus?

Wichtig sind für uns die Kooperationsmöglichkeiten vor Ort – zum Beispiel mit der EPO Berlin-Buch GmbH, mit der wir in-vivo-Studien durchführen. Hinzu kommt, dass wir hier erstklassige Wissenschaftler:innen rekrutieren können. Vor allem freuen wir uns auf das Biotech-spezifische Ecosystem mit den anderen Start-ups im BerlinBioCube.

Interview: Christine Minkewitz / Campus Berlin-Buch GmbH

Quelle: buchinside 1/23
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